Ich fange an, Indien zu lieben - trotz des Chaos :-)

Hallo Ihr Lieben,

es sind wieder einige Tage vergangen und ich bin mittlerweile in Varanasi, dem heiligsten Ort der Hindus angekommen. Die Eindrücke der letzten Tage lassen sich kaum in Worte fassen und ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.

 

Zuallererst möchte ich einige meiner ersten Eindrücke ergänzen und Euch einige neue schildern, bevor ich die letzten Tage beschreibe.

 

1)       Ergänzung – Durch den Monsun: Nachdem einige von Euch denken, ich würde hier die ganze Zeit nur durch den Regen reisen … dem ist nicht so. Nach den ersten Regentagen bin ich immer weiter gen Wüste und damit in eine der trockensten Gegenden überhaupt gefahren. Es war somit sehr trocken … und heiß!

2)       Ergänzung – Alleinreisende Frauen haben es schwer in Indien: Je weiter ich nach Rajasthan kam, desto besser wurde meine Situation. Nicht, dass das Gestarre oder die teils sehr plumpen Anmachen aufhörten, aber ich lernte besser damit umzugehen. Ich habe zudem auch einige Vorteile als alleinreisende Frau, so wurde ich z.B. in Jodphur von einem netten Ehepaar eingeladen und habe generell viel mehr Kontakt zu den Indern als manch ein Zweiergespann oder eine Reisegruppe.

3)       Müllentsorgung: Eine Müllentsorgung im klassischen Sinne gibt es in Indien nicht. Hier wird alles in die nächste Ecke geworfen und manchmal, wenn z.B. der Müll vor dem eigenen Shop stört, einfach verbrannt. So lodern an vielen Ecken kleine Feuerchen vor sich hin und das Plastik, Papier und Allerlei verbrennt unter der lodernden Sonne. Staatlich gesetzte Brennzeiten … undenkbar!

4)       Armut: Nach Südafrika entdecke ich hier in Indien immer wieder Unterkünfte, wo selbst die einfachsten Hütten in den Townships in Afrika besser sind als hier. Viele Menschen leben auf der Strasse, einige schützen sich mit Planen vor dem Regen während der Monsunzeit. Gewaschen wird in den Flüssen oder mit dem Wasser einer – wenn vorhanden – nahe liegenden Wasserpumpe. Menschen leben unter teilweise unzumutbaren Zuständen … insbesondere in den Städten. Auf dem Land findet man oft Lehmhäuschen, die zumindest vier Wände bieten und somit um ein Vielfaches mehr Schutz als eine flatternde Plane von oben.

5)       Beliebtes Fotomotiv: Egal wohin ich komme, ob in einen Tempel, einen Palast, ein Restaurant … ich werde ständig von Indern gefragt, ob sie ein Foto schießen könnten. Mittlerweile schmücke ich wahrscheinlich Dutzende Wohnzimmer ;-) Meist wird mir die Frau oder jedes Kind einzeln in den Arm gedrückt und die Fotosession zieht meist eine Gruppe von Beobachtern nach sich. Da auch ich mich über das eine oder andere Foto mit Einheimischen freue, stimme ich meist zu und lächele bereitwillig in die indischen Kameras J

6)       Hände schütteln: Neben den Fotos ist es hier besonders angesagt, die Hände eines Ausländers zu schütteln. Wenn sich erstmal der erste getraut hat, stellt sich meist die ganze Gruppe bzw. die Familie an und ich schüttele und schüttele, erkundige mich nach den Namen, stelle mich selbst vor und überlege mir insgeheim, ob ich mein Hand-Desinfektionsspray dabeihabe … von Schweinegrippe hat hier noch niemand was gehört … in Südamerika wurde von Hände schütteln auf Plakaten abgeraten, aber hier steht es ganz vorn auf der Liste derjenigen Dinge, die besonders erfreuen.

Fortsetzung folgt …

 

Nachdem die Hotelbesitzer in Pushkar, Ram und Peter, mein Busticket um einen Tag verschoben haben, konnte ich einen weiteren entspannten Tag in diesem schönen Örtchen verbringen und am Abend das geplante Fest miterleben. Als die Sonne unterging starteten die Vorbereitungen für die Fiesta … es sollte ein gemeinsames Essen geben und danach getanzt werden. Um Musik für letztere Aktivität bereitzustellen, wurde ein monströser Fernseher auf die Dachterrasse befördert, der kurze Bollywood-Musikclips abspielte. Die Musik war gelinde ausgedrückt schrecklich und wir verschluckten uns beim Abendessen fast an unserem Reis. An Konversation war auch nicht zu denken, da die Lautstärke die gesamte Stadt beschallte. Da war die ruhige Stunde im Kerzenlicht kurz davor – aufgrund des sehr häufigen Stromausfalls in Indien – geradezu eine Wohltat. Nach dem köstlichen Essen wurde getanzt. Glücklicherweise haben wir herausgefunden, dass diese Musikmaschine auch einige englische 80er-Jahre Songs enthielt, die wir dann hoch und runter hörten … tanzend unter dem Sternenhimmel. Es war schön … leider viel zu schnell vorbei, da für mich um 23 Uhr die Reise im Nachtbus weiterging. Ram brachte mich zur Bushaltestelle und verabschiedete sich herzlich mit der Bitte, ihm viele Touristen zu schicken. Ausgerüstet mit ca. 50 seiner Visitenkarten, suchte ich meine Schlafkabine.

 

Meine erste Busfahrt in einem Schlafbus in Indien stand mir bevor … und was ich in dem bereits überfüllten Bus am hintersten Ende vorfand, ließ mich kurz zweifeln, ob ich die Reise wirklich antreten wollte. Nun gut … es sind ja nur 10 Stunden und schon zu oft habe ich mir auf dieser Reise gesagt … „Augen zu und durch!“ … das würde auch diesmal klappen. Wir sind alle viel belastbarer als wir denken ;-)

Es galt also in dieses kleine Kabinchen zu kriechen … auf der einen Seite mit der Busscheibe nach außen begrenzt, auf der anderen Seite eine Glasscheibe mit Vorhang ins Businnere. Die Länge und Breite der Kabine war definitiv für Inder ausgelegt … was für mich hieß … Embryostellung! Sind ja nur 10 Stunden … und wenn ich Glück hätte, könnte ich schlafen … dachte ich.

Leider hatte ich diese Hoffnung ohne die Fahrweise des Busfahrers zu kennen … d.h. nach nur 5 Minuten wusste ich, dass diese Nacht schlaflos bliebe. Der Gute fuhr wie ein Irrer über Strassen, die mehr Schlaglöcher als jeder deutscher Feldweg hatten. Ich hatte Mühe und Not mich an den Seiten abzustützen, um nicht ständig gegen die Scheiben zu schlagen. Einige blaue Flecken habe ich von dieser Fahrt dennoch davongetragen. … aber auch Respekt von Indern, als die erfuhren, dass ich mich in diesen Bus gewagt habe … denn die Strecke ist für seine Schlaglöcher berüchtigt (habe ich leider erst später erfahren … also liebe Traveller, wenn Ihr das lest, sucht Euch nach Möglichkeit einen anderen Weg!).

Am nächsten Morgen entstieg ich todmüde meiner Kabine und sah mich ca. 30 Indern mit Hotelschildern gegenüber. Neben mir waren noch 2 Israelis im Bus und wir drei waren das Ziel aller Hotels vor Ort. Glücklicherweise hatte Ram mir bereits ein Hotel empfohlen und eine Abholung arrangiert, so dass ich durch die querelende Masse hindurch schritt und die Israelis ihrem Schicksal überließ. Sie sahen eine Gelegenheit zu handeln, auf die ich nach dieser Busreise gerne verzichten konnte. Ob ich nun 3 Euro oder 2 Euro fürs Zimmer zahlen würde ;-)

Mein Hotel lag im Fort von Jaisalmer, einer mystischen kleinen Wüstenstadt an der indisch-pakistanischen Grenze. Schon die Einfahrt in das Fort war beeindruckend … dies ist das einzige Fort in Indien, in denen noch Menschen leben und diese Gelegenheit wollte auch ich mir nicht entgehen lassen. Mein Zimmer im Hotel Temple View war einfach, aber schön. Ich hatte einen kleinen balkonähnlichen Vorsprung vorm Fenster, auf dem ich sitzen und auf einen Tempel schauen konnte. Auch die Dachterrasse bot einen schönen Ausblick und bei einer Tasse Tee wollte Sobbu, der Hotelbesitzer, mich gleich von seiner Kameltour überzeugen. Eine Kamelsafari, das war mein primäres Ziel für diese lange Reise in den Westen. Sobbus Angebot war zwar etwas teurer als erwartet, aber er hatte einen guten Ruf und er war mir sympathisch … und da ich eine nicht-touristische Tour plante, war mir Vertrauen hier wichtig. Ich buchte eine Tour für zwei komplette Tage – unter der Bedingung, dass ich nicht mit dem Kamelführer allein durch die Wüste ritt und dass mindestens eine weitere Person, ein/e Tourist/in, dabei wäre. Mir wurde versichert, dass bereits ein skandinavisches Pärchen gebucht hätte und zum Beweis deren Quittungen vorgelegt.

Nun gut, leider war nach meinem Besichtigungstag eine mir bereits bekannte Situation eingetreten … die Bedingungen haben sich geändert. Das Pärchen war krank … ich glaubte Sobbu, bestand aber dennoch auf mein Geld, da ich auf keinen Fall allein als Frau zwei Tage nur mit Kamel und einem indischen Mann im Nirgendwo sein wollte. Es war mittlerweile 19Uhr … am nächsten Morgen wollte ich um 7Uhr starten … jetzt galt es, schnell sein und nach Alternativen suchen.

Eine Stunde und drei Reiseagenturen später fand ich einen Anbieter, der mich mit einem Spanier in die Wüste schicken würde. Am Abend sollten wir dann zusätzlich auf einer Sanddüne noch eine Gruppe mit 3 Französinnen treffen. Das hörte sich gut an. Überzeugt, gebucht!

Am nächsten Tag ging es los. Ricard, mein spanischer Reisebegleiter aus Barcelona, stellte sich als sehr sympathisch heraus … und nachdem ich auch noch Mr. Kahn, unseren Kamelführer, kennen gelernt haben, wusste ich, dass die Tage zumindest lustig werden würden. Jeder von uns hatte ein eigenes Kamel, meines hieß Sonia, und wir zogen mit allem, was wir für die nächsten Tage brauchen würden (Kochzeug, Lebensmittel, Getränke, Decken) los gen Horizont. Am Anfang wurden wir an Mr. Kahns Kamel angebunden, so dass wir eine kleine Karavane von 3 Kamelen waren, aber als ich von meiner Reitervergangenheit erzählt habe, durfte ich alleine reiten J

Den ersten Morgen besuchten wir ein kleines Dorf, wo wir Wasser aus dem Brunnen fürs Mittagessen holten (bitte fragt nicht nach der Wasserfarbe) … und mit einer Familie sprachen … ohne zu reden … nur mit Händen und Füßen und teilweise mit Mr. Kahn als Dolmetscher, der aber aufgrund des unterschiedlichen Dialekts auch nur bedingt aushelfen konnte.

Um Punkt 12 Uhr saßen dann wir unter einem großen, schatten-spendenen Baum und sahen Mr. Kahn beim Kochen zu. Mir verdrehte sich der Magen bereits beim ersten Anblick der spartanischen Kochstelle … beim Anblick des Wassers … beim Anblick … einfach von allem. Aber ich sagte mir … solange es gekocht wird, kann es schon nicht so schlimm sein. Ich sah es als Herausforderung an … für mich und meinen Magen … und jetzt im Nachhinein kann ich sagen … Challenge erfolgreich bewältigt … Essen gegessen und keine Magenprobleme gehabt … wie ich allerdings letzteres geschafft habe, wird mir ein Rätsel bleiben.

Beim Essen gesellte sich ein Schäfer mit mehr als 380 Schafen und Ziegen zu uns, sowie mehrere Kinder aus dem benachbarten Dorf. Sie bekamen von uns Essen und wir verbrachten die nächsten drei Stunden bis um 15 Uhr spielend unter dem Baum. Hierzu muss man wissen, dass das Leben in der Wüste sehr, sehr langsam vorangeht. Insbesondere von 12 bis 15 Uhr passiert gar nichts. Es ist zu heiß und man muss dringend versuchen, bis dahin an einem schattigen Ort zu sein. Mir war dies Recht … ich hatte viel Spaß und versuchte mich an alle hier machbaren Spiele meiner Kindheit zu erinnern. Das lustigste Spiel mit dem größten Lachfaktor hatte für die Kleinen allerdings das Fotografieren und Filmen … sie liebten es, zu posieren oder kleine Szenen nachzuspielen und sich danach auf dem Bildschirm zu sehen.

 

Nach Abbruch des Mittagslagers ging es weiter. Wir spürten bereits die ersten Stunden auf dem Kamelrücken und wollten nicht daran denken, ob und wie wir nach zwei Tagen noch laufen konnten.

Die Stunden auf dem Kamel waren ruhige Stunden. Wenn wir nicht gerade an einem verlassenen Dorf vorbeikamen, wo sämtliche Kinder winkend ihre Englischkenntnisse („Hello“, „Bye-Bye“, „How are you?“) ausprobierten, ging es durch den Sand dem Horizont entgegen … begleitet wurden wir nur vom Wind. Es blieb viel Zeit, zur Ruhe zu kommen, Nachzudenken, zu Träumen … es war toll und ich freue mich schon jetzt auf meine nächste Kamelsafari, die dann unbedingt eine Woche dauern soll. … irgendwann, irgendwo.

 

Den Abend verbrachten wir auf einer schönen Sanddüne … zusammen mit drei Französinnen und mehreren Männern und Kindern aus einem nahe liegenden Dorf. Wir aßen, sangen, lauschten Wüstenliedern und erzählten … alles unter einem beeindruckenden Sternenhimmel. Zu sehr später (bzw. früher) Stunde krochen wir in unsere Schlafsäcke.

Am nächsten Morgen wurden wir zum Sonnenaufgang aufgeweckt, den wir Tee-trinkend aus den Schlafsäcken bewunderten. Soooo schön!

Nach einer kleinen Erinnerungs-Foto-Session (auch mit dem grünen Band) ging es für uns weiter. Unsere kleine Drei-Mann-Karavane setze den Weg ihren Weg in die Wüste fort.

 

Der zweite Tag ähnelte dem ersten und nach einem zweiten wunderschönen Sonnenuntergang und einem letzten Essen in der Wüste ging es per Jeep zurück nach Jaisalmer. Eine Reifenpanne auf dem Weg, die glücklicherweise - dank meiner Taschenlampe -, schnell behoben war, rundete das Erlebnis ab und nach einer kurzen Dusche ging es in den Nachtzug gen Jodphur.

Jaisalmer, insbesondere die Kamelsafari, war ein Highlight auf meiner gesamten Reise und wird mir immer in besonderer Erinnerung bleiben! Danke!

 

Nach den Wüstentagen stand mir also meine erste Zugfahrt bevor. Ich habe eine Schlafliege gebucht und hoffte auf eine ruhigere Nacht als im Bus.

Auch wenn die Züge nicht ansatzweise mit unseren vergleichbar sind und auch wenn es einen durchschüttelt, so konnte ich doch einigermaßen gut schlafen. Ich hatte eine von drei übereinander hängenden Liegen … diejenige direkt unter dem Dach … und nachdem ich meinen Rucksack mit dem Schloss an das Bettgestell geschlossen hatte, konnte die Nacht beginnen. Ich habe schon die wildesten Geschichten aus dem Zug gehört … u.a. dass Touristen mit Schlafmittel versetztes Essen und Getränke angeboten wurden und sie dann ausgeraubt wurden. Da ich bei meinen Reisen in den öffentlichen Verkehrsmitteln bisher fast immer die einzige Ausländerin war (aufgrund Nebensaison), war ich also vorsichtig. Allerdings muss ich auch dazu schreiben, dass ich mich in Indien bisher noch nie wirklich unsicher gefühlt habe. Das hier ist kein Vergleich zu Südamerika und man kann – denke ich – sehr sicher reisen. Natürlich muss man vorsichtig sein, aber das sollte man in allen deutschen Großstädten auch.

 

In Jodphur angekommen, ging es per Riksha ins vom Lonely Planet empfohlene Hostel Shivam Paying Hotel. Da alle Zimmer belegt waren, wurde ich vorerst in einer Abstellkammer abgelegt … es war noch früh morgens und ich brauchte noch etwas Schlaf … bis ich ein Zimmer beziehen durfte, was sich von der vorherigen Kammer allerdings nicht sehr unterschied. Ich war erstaunt, dass dieses Hostel im „heiligen Buch“ empfohlen wurde, aber nachdem ich meine Sachen abstellte und per Riksha die komplette Stadt erkundet habe, wurde mir noch ein anderes Zimmer (Zimmer 2 / Honeymoon-Suite) zugewiesen, was sich als absoluter Glücksgriff erwies. Das schönste Zimmer für 3 Euro, was man sich vorstellen kann J

Hinzu kam eine tolle Dachterrasse und überaus freundliches Personal, was die Empfehlung im LP wieder rechtfertigte.

Die Stadt Jodphur ist auch eine Reise wert. Ich habe Paläste, Märkte und ein wunderschönes Fort besucht … außerdem nennt man Jodphur auch die „blaue Stadt“, da viele Häuser rund um das Fort blau angestrichen sind und der Stadt somit ein unverwechselbares Äußeres geben.

Auf dem Rückweg vom Fort zum Hotel kam ich an einem Haus vorbei, wo ein älteres Ehepaar die Abendsonne genoss und mich auf ihre Dachterrasse einlud. Gesagt, getan … da saß ich nun. Wir unterhielten uns über eine Stunde, ich bekam Essen und später auch noch die Hand mit Hennafarben bemalt. Gegen letzteres habe ich mich die letzten Tage erfolgreich gewehrt, aber in der Situation auf dem Dach ging das nicht mehr und jetzt laufe ich mit einer bemalten Hand herum. Hier nach Indien passt es … auch wenn ich froh bin, wenn ich wieder meine eigentliche Hautfarbe sehen kann ;-)

 

Am nächsten Morgen ging es weiter. Vor mir lag eine sehr lange Bahnfahrt … 24 Stunden von Jodphur nach Varanasi. Ich erinnere mich an meine Chinareise vor 9 Jahren … da waren die Entfernungen auch weit … aber diese Reisen waren vergangen … die Bahnfahrt in Indien stand mir unmittelbar bevor. Hoffend auf eine gute Liege, stieg ich in den Zug … und wurde bitterlich enttäuscht. Ich sollte eine Gangliege unter dem Dach bekommen, die ebenso wenig Platz wie die Buskabine nach Jaisalmer bot. Allerdings hatte ich in dem Bus wenigstens Luft und ein Fenster nach draußen … hier im Zug nicht. Ich fragte, ob ein anderer Platz frei wäre … ich würde auch zahlen …koste es, was es wolle! Alles ausgebucht. Kurz überlegte ich, ob ich einfach das Ticket verfallen lassen sollte und eine andere Reiseroute oder einen anderen Zug ein paar Tage später nehmen sollte … aber ich entschied mich dagegen … und für eine neue Herausforderung. Die ersten 5 Stunden war der Zug noch leer und ich konnte auf einer Fensterliege sitzen und die Landschaft an mir vorbeiziehen sehen .. dann kamen die Passagiere. Ich blieb erstmal sitzen, aber nachdem 4 Inder auf der Liege Platz nahmen und ich nur noch einen kleinen Eckplatz hatte, fragte ich die freundlichen Herren, ob jemand bereit wäre, mit mir zu tauschen. Hier hatte ich definitiv den Frauenbonus … um mich herum nur Inder, keine Ausländer, nur Männer, keine Frauen. Ich bekam die gegenüberliegende Liege … auch unter dem Dach, aber ich wollte meine Ruhe und auf den unteren Liegen war Highlife! Es wurde erzählt, gegessen, gespielt … und an eine persönliche Liege war nicht zu denken. So war es besser. Ich versuchte zu lesen, hörte Musik und döste Stunde für Stunde vor mich hin. Irgendwann wurde es dunkel und alle schliefen … versuchten, zu schlafen … und irgendwann war die Fahrt dann auch – mit 1 Stunde Verspätung – vorbei. Geschafft!

 

In Varanasi angekommen wurde ich gleich vor dem Abteil von einem Rikschafahrer abgefangen. Er war sympathisch und wirkte vertrauensvoll, außerdem sprach er sehr gutes Englisch (sehr ungewöhnlich für Rikschafahrer) und bot mir an, mich zum Hotel zu fahren. Da mein geplantes Hotel direkt am Fluss und somit nicht anfahrbar war … und da ich keine Lust hatte, nach 25 Stunden Bahnfahrt meinen Rucksack auch nur einen Meter zu tragen, ließ ich mich auf einen seiner Vorschläge ein … und wurde sehr positiv überrascht. Er brachte mich ins Surya Hotel, eine Ferienanlage, die von außen herrschaftlich aussieht … von innen allerdings den klassischen indischen Standard (Nicht-Standard ;-) bietet. Außerdem gibt es Wifi, einen Swimmingpool und ein schönes Restaurant. Dank ersterem schreibe ich gerade diesen Bericht von meinem Balkon, für zweiteres werde ich aufgrund meines vollen Besichtigungsprogramms keine Zeit finden und in drittem habe ich schon lecker gegessen.

 

Varanasi ist eine beeindruckende Stadt. Ich erkundete die Stadt mit dem Rikschafahrer vom Bahnhof und zwei sehr netten Deutschen, Chris und Elli, die ich im Hotel kennen gelernt habe. Am ersten Abend ging es zum heiligen Fluss, dem Ganges … nach einigen Verhandlungen stiegen wir in unsere eigene schwimmende Schüssel, mit der wir die nächsten 90 Minuten das Treiben am Flussufer beobachten wollten. Die Sonne war gerade dabei unterzugehen und die Stimmung auf und am Fluss war äußerst bewegend. Man muss wissen, dass sich am Ganges Leben und Tod trifft. Neben den Menschen, die hier –in einer objektiv betrachtet unbeschreiblich schmutzigen Brühe – baden, werden Hindus in einer über drei Stunden dauernden Prozedur verbrannt und deren Asche im Fluss verteilt. Die Verbrennungsprozedur in Varanasi ist das Ziel jedes Hindus und kostet unglaublich viel Geld … billiger ist es da in einer der Verbrennungsfabriken am Flussufer, wo man sich allerdings nicht sicher sein kann, ob man die Asche seiner Hinterbliebenen bekommt. Selbstmörder, Schwangere, Heilige und Menschen, die von Cobras gebissen wurden, werden nicht verbrannt und stattdessen an schwere Steine gebunden und in der Mitte des Flusses auf den Grund herabgelassen. Eine für uns befremdliche Vorstellung, dennoch ein ganz natürlicher Teil  dieser Kultur hier in Indien.

 

Die für mich bewegendste Szene war der Hauptverbrennungsplatz. Ich habe hier aus Respekt vor den Trauernden kein Foto gemacht, werde aber auch so diesen Anblick niemals vergessen. Ich fühlte mich um 500 Jahre  zurückversetzt .. direkt ins Mittelalter. Die eigentliche Szeremonie spielte sich vor einer – in meinen Augen –  mittelalterlichen Burg ab … davor Menschen, Kühe und Hunde. Die Toten werden auf Bahren in Tücher gewickelt und vor der Verbrennung im heiligen Fluss gebadet. Das Feuer, der Geruch, das Chaos … über uns der Sternenhimmel und im Hintergrund die Musik eines Festes … unvergesslich.

 

Nachdem wir einige Blumenboote mit Lichter zu Wasser gelassen haben und ein farbenfrohes und lautes Fest vom Fluss aus verfolgt haben, ging es flussaufwärts wieder zurück zum Ausgangspunkt.

 

Den nächsten Tag wollten wir das Treiben bei Sonnenaufgang sehen. Um vier Uhr klingelte mein Wecker und um 4.30h saß ich wieder in der Rikscha. Nach erneuten Verhandlungen mit einem Bootsführer ging es los … dem Sonnenaufgang entgegen. Was sich jetzt am Fluss abspielte, war anders ... während am Abend der Tod allgegenwärtig war, war es jetzt das Leben. In den frühen Morgenstunden trifft sich halb Varanasi am Ganges. Hier wird erzählt, mit reichlich Schaum gebadet, gebetet, Spaß gehabt, Trinkwasser für den Tag abgefüllt, gewaschen, etc. Der Fluss ist das Zentrum, das Heiligtum, das Ein und Alles der Hindus. Ein wirklich besonderer Ort mit einer unbeschreiblichen Ausstrahlung … für jedermann.

 

Nach dem morgendlichen Bootstrip ging es in die Stadt und Umgebung zu Tempelbesichtigungen und mehr. Beeindruckend und ganz und gar nicht mit dem Chaos der Stadt vergleichbar war der Campus der Universität. Die Uni in Varanasi gehört zu den größten und besten in ganz Asien und bietet Ruhe und beste Studienbedingungen. Selbst AIESEC ist hier allgegenwärtig … internationaler Studentenaustausch wird in der Stadt an vielen Straßenecken propagiert und eine Teilnahme mit einer 100% Jobgarantie beworben.

 

Am Abend führte uns unser Rikschafahrer nach Saranath, einem der heiligsten Orte der Buddhisten. Hier soll Buddah … , weshalb mittlerweile viele asiatische Länder, u.a. China, Japan, Nepal hier eigene Tempel erbaut haben. Man findet hier also einen bunten Tempelmix vor J

Ja … so sind meine letzten Tage verlaufen …

 

Einen Tag später.

 

Ich sitze mittlerweile im Bus. Nachdem ich gestern Abend ausgecheckt habe und dem Rezeptionisten von meinen weiteren Plänen erzählte, wurde ich mit der Tatsache konfrontiert, dass der von mir geplante Nationalpark entgegen der Auskunft eines anderen Hotelangestellten, geschlossen war. Stattdessen empfahl man mir nach Nepal zu fahren, da könnte ich noch Tiger sehen. Mmmmhh … was tun? Ich brauchte für meine Entscheidung nicht lange, setzte mich mit einem Nepalesen zusammen und beriet mich bzgl. meiner weiteren Reisepläne. Bis zur Ankunft von Caro in Mumbai am 3.10. würde ich noch ein paar Tage haben und Lust auf einen ersten Eindruck von Nepal hatte ich allemal. Ich checkte umgehend wieder ein, ließ mein Zugticket nach Satna verfallen und buchte ein Busticket für den nächsten Morgen nach Nepal. Da sitze ich nun. Im Bus! Die nächsten 10 Stunden lasse ich also ein endloses Hupen und unterschiedliche von draußen durch die Fenster hereinströmende Gerüche über mir entgehen. Das Busticket inkl. Hotelübernachtung an der Grenze kostete nur 10 Euro und heute morgen bot man uns an für 1,50 Euro mehr auch noch Klimaanlage im Bus zu haben. Leider hätten dafür alle zustimmen müssen – was bei so vielen Extrem-Low-Budget-Travellern wie in Indien leider ein Ding der Unmöglichkeit war. Nun gut, jetzt schwitze ich eben ;-)

Nachdem ich gestern Abend meinen Trip gebucht hatte, habe ich noch eine Gruppe lustiger Gestalten kennen gelernt. Sie nehmen für einen guten Zweck an einer Ralley mit 60 Rikshas teil – Strecke: Goa, Indien, bis in den Himalaya nach Pokaraho, Nepal. Sie luden mich ein, das letzte Streckenstück, mitzufahren, aber zu späterer Stunde wollte ich meinen Travel-Agent nicht mehr aufwecken und entschied mich, den Bus zu nehmen. Allerdings änderte ich heute früh meine geplante Nepalroute und werde zuerst nach Pokaraho reisen, um dort am 25.9. meinen Geburtstag zusammen mit 180 ausländischen Ralley-Riskha-Fahrern zu feiern, die dort am selben Tag ihre Abschlussfeier haben J

 

Soweit von mir. Jetzt ist gleich die Batterie leer …

Euch ein schönes Wochenende ... und allen Münchnern ein tolles Oktoberfest :-)

 

Alles Liebe und bis bald

Eure Eva

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Kommentare: 4
  • #1

    handan (Samstag, 26 September 2009 12:46)

    Liebste Eva, grossartiger Bericht - ich bin echt beeindruckt. Habe grossen Respekt vor deinem Mut, ohne Angst deinen Weg zu gehen, um alles zu erleben, was das Leben dir auf deiner Weltreise zu bieten hat.
    Denke an dich
    Deine Handan

  • #2

    Nils (Donnerstag, 01 Oktober 2009 22:15)

    Alles Liebe nachträglich zum Geburtstag!

  • #3

    Stefan Eck (Mittwoch, 07 Oktober 2009 12:47)

    Glückwunsch zum Geburtstag nachträglich. Tolle sehr intensive Berichte. Weiterhin alles Gute.

    Stefan Eck

  • #4

    Frederik (Montag, 08 November 2010 01:40)

    Ich fliege Mittwoch nach Indien. Danke für die Informationen! Frederik