Außergewöhnliche Begegnungen in einer zauberhaften Stadt

Meine Lieben,

 

ich sitze gerade mit meinen Eltern am Flughafen in Istanbul und warte auf eine Eis-Schokolade. Papa sitzt neben mir und liest ein Buch über Indien, meine nächste Reisestation, Mama sortiert Cremetuben in eine kleine Plastiktüte. Unsere Reise neigt sich dem Ende zu und wir warten auf unseren Rückflug in die Heimat.

 

Die letzten Tage sind wie im Flug vergangen. Wir haben jede Minute genossen und können jetzt kaum glauben, dass unsere Ankunft hier schon 6 Tage zurückliegt. Auf der anderen Seite haben wir in der Zeit soviel erlebt, dass es sich anfühlt als wären wir Wochen da gewesen.

 

Seit meiner letzten Istanbul-Reise vor fünf Jahren hat sich hier augenscheinlich nicht viel verändert. Dennoch habe ich diese Tage anders erlebt, da ich meine Eltern und meine Freundin Handan dabei hatte.

 

Wir haben das komplette Touristenprogramm absolviert und eine Vielzahl von Moscheen, Palästen und Museen besucht … aber nicht die bunt bemalten Kuppeln und Gebäude aus 1001 Nacht … sondern die außergewöhnlichen Begegnungen waren es, die diese Reise so besonders machen … und von denen ich hier erzählen möchte.

 

Gleich am ersten Abend fanden wir uns in einem kleinen Restaurant in der Nähe unseres Hotels wieder, wo wir unsere ersten türkischen Spezialitäten und die ersten Eindrücke der Stadt bekamen. Wir lernten den Chef Memet kennen und fühlten uns so wohl, dass wir den nächsten Abend noch mal dort essen gingen. Er versprach uns besonderen Fisch zu besorgen und uns ein spezielles Menu zuzubereiten, was dann auch toll geschmeckt hat.

Dank meines neuen Netbooks verbrachten wir den Abend mit unseren gemeinsamen Istanbul-Fotos und den letzten Reisefotos aus Südamerika. Es dauerte nicht lange, da saß Memet an unserem Tisch und schaute gespannt auf die Fotos von einer für ihn unbekannten Welt. Ihm gefiel meine Reisefreude und er lud mich in seine Geburtsstadt in Arabien ein.

Unsere erste besondere Begegnung … die insbesondere dadurch ermöglicht wurde, dass Handan die kommunikative Brücke zwischen uns und den Einheimischen bildete und alles übersetzte.

 

Eine weitere besondere Begegnung war diejenige mit Halil. Da ich an meinem Geburtstag irgendwo in Indien reisen werde, hat Handan mir „vorträglich“ eine private Bootsfahrt auf dem Bosporus auf dem Boot eines Bekannten geschenkt. Um es vorwegzunehmen … es war ein toller Abend! Danke Handan!!!

Schon die Taxifahrt zur Boot-Ablegestelle war ein Erlebnis. Mein Vater saß … wie es sich in der Türkei gehört … vorne neben dem Fahrer, Abdul. Aufgrund seines sehr rasanten Fahrstils schnallte er sich … wie bei uns in Deutschland üblich … an. Als der Taxifahrer dies sah, löste er ohne Worte den Gurt und wies meinem Vater an, sich zu entspannen … der Gurt sei ungemütlich. Er konnte sich offensichtlich nicht vorstellen, dass die Vorstellung eines Frontal-Zusammenstosses ohne Gurt mindestens genauso ungemütlich war ;-) Außerdem bot Abdul meinem Vater eine Zigarette an … und dass, obwohl an der Frontscheibe ein großer Aufkleber „No Smoking“ klebte. Wir haben viel gelacht, insbesondere Abdul, der unsere aufgrund seiner Rennmanöver begründete Angst in den Gesichtern sah. Er bot meinem Vater später sogar an, es selbst mal zu probieren … er könne das Taxi fahren. Es bedurfte einiger Überzeugungsarbeit ihm klar zu machen, dass dieses Angebot nicht nötig sei und wir dankend ablehnten ;-)

 

An der Anlegestelle angekommen, parkte unser neuer Freund sein Auto mitten an der Bushaltestelle und leistete uns noch Gesellschaft, bis das Boot kam. Er hatte keine Eile.

 

Um ca. 17.30h kam dann das Boot und das eigentliche Vergnügen begann. Über acht Stunden bis nachts um 1.30h wurde gegessen, getrunken und getanzt … nur Handan, meine Eltern, Halil und ich. Halil, lt. Handan eigentlich ein sehr ruhiger Typ, entsprach an diesem Abend nicht den Beschreibungen. Er redete, lachte und erfreute sich besonders an unserer Freude und unserem Interesse. Er schloss meinen Vater sofort ins Herz, da dieser mit seiner marinen Vergangenheit sein Hobby teilte. Man sah die beiden nach erstem „Beschnuppern“ an diesem Abend oft Arm in Arm … und sie redeten und genossen, ohne die Sprache des anderen verstehen zu können. Gegen Mitternacht kam dann auch noch ein Freund Halils mit seiner Freundin aufs Boot … in der Hand eine große Geburtstagstorte. Halil hatte spontan eine Überraschung für mich organisiert, nachdem er den Anlass unserer Bootsfahrt erfuhr. So nett!!! Außerdem hat er sich darum gekümmert, wie wir heim kamen … sein Freund brachte uns in seinem Auto ans andere Ende der Stadt bis vor die Hoteltür.

 

Am übernächsten Tag rief Halil wieder an, um sich nach uns zu erkunden und er bereute es, aus Zeitgründen nicht noch mehr Fahrten mit uns machen zu können.

 

Statt erneut aufs Boot ging es zwei Tage später auf eine Kutsche. Auf den berühmten Prinzeninseln wollten wir die Umgebung von einer der dort unzählig auf Kundschaft wartenden Kutschen genießen. Hier trafen wir auf Hasan … auch jemanden, den wir nicht vergessen werden. So wie Papa das Wasser liebt, liebe ich die Pferde. Nachdem Hasan durch Handan von meiner vergangenen Reit-Karriere hörte, blühte er richtig auf. Statt wie geplant einer Stunde fuhr er uns 2 Stunden über die Insel, wir genossen türkischen Tee bei einem Aussichtspunkt und er zeigte uns sein Heiligstes … den Pferdestall mit seinen Rennpferden. Wir lernten Hasan als einen unglaublichen Pferdeliebhaber kennen, der neben seinen Kutsch- auch zwei Rennpferde im Stall stehen hatte, die er mir im Innenhof stolz präsentierte. Noch nie habe er Touristen mit in seine Ställe genommen, aber er freue sich so, dies mit uns zu teilen. Als wir langsam nervös aufgrund seines Verdienstausfalls wurden, meinte er zu Handan, er würde die Zeit mit uns so genießen, das sei wichtiger als Arbeit und Geld.

 

Am nächsten Tag ging es in die Süleymaniye Moschee. Leider wurde diese gerade renoviert, so dass wir unsere Besichtigung nach fünf Minuten eigentlich hätten beenden müssen. Aber plötzlich stand ein älterer Herr vor uns, dem wir leid taten, dass wir diese wunderschöne Moschee nicht sehen konnten. Es stellte sich heraus, dass es der Moezin war, einer derjenigen Gelehrten, die fünfmal am Tag Zeilen aus dem Koran aus der Moschee rufen. Die Gesänge der Moezine haben unsere gesamte Zeit in Istanbul geprägt. Ab 5h morgens rufen sie in regelmäßigen Abständen ihre Zeilen und boten somit eine kurze Pause in der hektischen Großstadt, in der die Menschen sich in diesen Minuten gen Mekka wenden und beten.

Nun also stand ein solch wichtiger Mann vor uns und bot uns an, hinter der Absperrung sein heiliges Reich, von dem aus er die Klänge in sein Viertel ruft, zu besuchen. Im Anschluss führte er uns auf einen Balkon, wo er uns auf dem Teppichboden sitzend Geschichten erzählte … von der Moschee, seinem Glauben und dem Sultan Süleymaniye. Es war toll … einzigartig … besonders.

Dass die Besichtigungstour in diesem Moment erst begann, konnten wir nicht ahnen. Der Moezin, den Handan nur mit „großer Lehrer“ ansprach, machte mit uns einen Spaziergang und zeigte uns alle zu dem Komplex gehörenden Einheiten inkl. Krankenhaus, Universität, etc. Er erklärte jedes Detail und freute sich, uns herumzuführen. Nachdem er im Gespräch erfuhr, dass wir im Anschluss in das Stadtviertel Pierreloti wollten, bestand er darauf, uns in seinem privaten Auto dorthin zu fahren. Widerstand zwecklos. Seine verschleierten Töchter, die bereits im Auto warteten, mussten aussteigen und gut eine Stunde warten, bis der Papa die neuen touristischen Freunde an ihren Bestimmungsort gefahren hat. Der fromme Mann fuhr schlimmer als die Taxifahrer und die Gesänge aus dem Koran … von seinem Lehrer … dröhnten aus den Lautsprechern. Ein Erlebnis!

… dies und mehr erlebten wir. Immer wieder begegneten uns Menschen, die so hilfsbereit, freundlich und besonders waren, dass sie zu Freunden und somit für uns unvergesslich wurden.

 

Danke Memet, Abdul, Halil, großer Lehrer und viele mehr! Ihr habt uns eine Seite Eures Landes, Eurer Herzen gezeigt, die diese Zeit unvergesslich machen.

 

… und danke Handan, die Du uns alle noch näher zusammengeführt hast.

 

Alles Liebe

Eure Eva 

 

 

 

 

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Kommentare: 3
  • #1

    Sarah-Schwesterlein (Sonntag, 06 September 2009 09:32)

    Was für ein unvergesslicher Urlaub!! Ich wäre gern dabei gewesen..!Gibt es eine andere (teils) europäische Stadt mit so viel überschwenglicher Gastfreundlichkeit..!? Ich hab es nicht anders erlebt..magisch orientalisch:)

  • #2

    handan (Mittwoch, 09 September 2009 10:46)

    liebste freundin, auch ich erinnere mich sehr gerne an unsere gemeinsam verbrachten 6 tage.
    der toller wegweiser von sarah und die grossartigen menschen, die zufällig unseren weg kreuzten, machten unsere ausflüge und überraschungen perfekt.
    ich wünsche dir auf deinen weiteren reisen wundervolle begegnungen und spannende erlebnisse, die dir die freuden bringen, die du mir bereitet hast.
    ich umarme dich von ganzem herzen und bin in gedanken bei dir.

  • #3

    Sara (Freitag, 01 Januar 2010 07:02)

    Hallo,
    ich bin durch Zufall auf deinen Reisebericht gestoßen, weil meine nächste Reise nach Istanbul führt und ich dazu Infos suche.
    Mit sowas habe ich allerdings nicht gerechnet. Was du schreibst, solch eine Offenheit und Freundlich-/Herzlichkeit von den Einheimischen... Echt toll! Ich freu mich schon auf diese Reise!