Nervenkitzel in der Silbermine von Potosi

Hallo meine Lieben,

 

heute moechte ich Euch von einem meiner bisher beeindruckendsten Erlebnisse erzaehlen … meiner Tour in der Silbermine von Potosi. Potosi liegt am Fusse des Berges Cerro Rico, aus dem seit dem 16. Jahrhundert Silber gewonnen wird. Dank der Mine gehoerte Potosi im 17.Jhd. neben Paris, London und Sevilla zu den reichsten Staedten der Welt.

Mein derzeitiger Reisepartner Sameer und ich haben aus Sicherheitsgründen die renomierteste Agentur fuer die Tour unter Tage ausgewaehlt. Um Punkt 13.30h ging es los. Wir wurden mit Hose, Jacke, Helm mit Stirnlampe und Gummistiefeln ausgeruestet und hatten die Moeglichkeit auf dem sogenannten "Miner-Markt" Geschenke fuer die Arbeiter zu kaufen. Ich entschied mich fuer Dynamit inkl. Zuendschnur und Explosionsverstaerker sowie Coca-Blaetter, insbesondere ersteres freut lt. unserem Guide Rinaldo die Miner, da Dynamit sehr teuer ist und meist durch blosse Handarbeit ersetzt wird. 96%-igen Alkohol, der auch zu kaufen war, fand ich vor dem Hintergrund der vielen Unfaelle, die in der Mine passieren, unpassend.

Generell war es unglaublich, dass das Dynamit einfach so auf der Strasse verkauft wurde (auch an Kinder uebrings, die auch schon in fruehen Jahren mit ihren Eltern in den Minen arbeiteten). Spaeter erfuhr ich, dass dieser Mercado der einzige oeffentlich Markt auf der Welt ist, wo man legal Dynamit kaufen kann. 

Mit meiner Plastiktueten voll Dynamit und Coca-Blättern ging es in eine Fabrik, um zu lernen, wie das wertvolle Endprodukt gewonnen wird. Die Fabrik war nicht ansatzweise mit dt. Standards vergleichbar … aber das koennt Ihr Euch sicher denken ;-)

 

Nach der Fabrikbesichtigung ging es endlich auf den Cerro Rico … den Berg! Mit jedem Meter gen Mine wurde uns banger ums Herz. Zwei Stunden sollte die Tour dauern … wir wuerden bis in den 4.Schacht runtergehen. Der Eingang lag auf 4.800m, von hier startete unser Weg durch die Dunkelheit. Die ersten 400 Meter waren in fast aufrechtem Gang zu bewaeltigen, allerdings wurden mit jedem Meter die Luft duenner. Haette ich zu diesem Zeitpunkt gewusst, dass ich am Ende der Tour diese Minuten als Wohltat und Freude empfinden wuerde, waere ich sofort umgekehrt. Ihr koennt Euch denken … es wurde schlimmer, viel schlimmer. Wir stiegen auf klapprigen, steilen Holzleitern immer weiter in den Berg. Meist allerdings hiess es mit dem Po auf dem Geroell nach unten rutschen (wissend, dass man den gleichen Weg irgendwie wieder rauf musste). Die Luft wurde immer staubiger und ich war froh ueber mein Tuch und die Maske … allerdings war es auch so unertraeglich heiss, dass ich diese oft abnehmen musste, um ueberhaupt etwas Sauberstoff zu bekommen. Nach nur ein paar Minuten waren wir nass geschwitzt und der Dreck klebte an unserer Haut. Warum hier niemand an Handschuhe gedacht hat, ist mir unbegreiflich. Ab dem 2.Schacht mussten wir uns zu 80% auf allen Vieren fortbewegen und der Untergrund war dreckig und mit spitzen Steinen bedeckt. Dies allerdings hat abgelenkt … abgelenkt von der Tatsache, dass man gerade durch enge Gaenge kroch, kaum Luft bekam und es keinen schnellen Notausgang irgendwo gab, wenn man es nicht mehr aushielt. Wir krochen immer tiefer und wussten, wir mussten den gleichen Weg zurueck.

Im 4. Schacht gesellten wir uns zu einem Miner, der in einem kleinen Loch haemmerte ... die Backe vollgestopft mit Coca-Blaettern, um die 10 Stunden Schwerstarbeit irgendwie zu ueberstehen. Er bekam meine volle Tuete mit Geschenken, freute sich und liess mich auch ein bisschen haemmern. Schon mit Heben des Hammers merkte ich, dass dieser zierliche Miner ziemliche Armmuskeln haben musste, denn sein Werkzeug war unglaublich schwer!

 

Nachdem wir es trotz mehrmaligen Ausrutschens auf dem Geroell irgendwie wieder geschafft haben, den Weg nach oben zu erklimmen, waren wir froh, wieder Tageslicht zu sehen. Wir waren alle erschöpft, dankbar, die Minentour hinter uns gebracht zu haben und jetzt sehr vieles besser nachvollziehen zu koennen, was es bedeutete, sein Leben in DER Mine zu verbringen. By the way ... entgegen westlichen Minen habe ich in Potosi keinen Fahrstuhl gesehen. Zudem würde die Mine, so unser Guide, ohne wirklichen Plan bearbeitet. Jeder könnte eigentlich rein und nach Silber suchen. Man rechnet damit, dass der Berg aufgrund des relativ unkontrollierten Abbaus irgendwann einstürzt. Aber die Hoffnung, doch irgendwann den Fund des Lebens zu machen, bringt die Menschen täglich dazu, Ihr Leben im Berg zu riskieren. 

 

Was ich in dem Berg gesehen habe, ist nur schwer in Worte zu fassen und gehoert zu dem Anstrengensten - physisch und psychisch, was ich auf meiner Reise bisher getan habe. ... und ehrlich gesagt hoffe ich, dass es auch dabei bleibt ;-)

 

Alles Liebe

Eure Eva

 

 

 

Anbei noch ein paar Hintergrundinfos zur Mine:

  • Noch heute stirbt im Durchschnitt ein Minenarbeiter pro Tag. 70% an Staublunge und 30% an Unfällen, zum Beispiel durch Explosionen.
  • Nur die wenigsten Miner besitzen Gasmasken oder sonst irgendeine Art von Schutzkleidung.
  • Die Lebenserwartung eines Mineros beträgt in etwa 45-50 Jahre.
  • Obwohl Kinderarbeit in Bolivien offiziell verboten ist, arbeiten in der Mine noch heute über 700 Kinder von 9-14 Jahren oder jünger. Die Notwendigkeit der Kinderarbeit hat hier leider Priorität vor dem Gesetz.

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